Der 9. November ist für mich ein wichtiger Gedenktag. Vor wenigen Tagen begleitete ich iranische Christen der Gemeinde Neumarkt und Kollegen im Konzentrationslager Dachau. Am Ende meinte eine Teilnehmerin nachdenklich: „Es war traurig und entsetzlich, was Menschen damals geschah. Und mir wurde klar: Bei uns im Iran herrscht das Terrorregime heute mit den gleichen Mitteln. “
Im November 1938 verloren jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen ihr Leben, ihr Hab und Gut, wurden geschlagen und beleidigt. Viele ihrer geliebten Gotteshäuser wurden zerstört.
„Warum hat Hitler gerade die Juden so gehasst?“, fragte ein andere Teilnehmer. Weil der Hass auf Jüdinnen und Juden leider in ganz Europa eine jahrhundertelange Geschichte hat, und weil es Menschen gab, die diesen Hass mit ihren Worten schürten. Und andere schwiegen dazu. Die Grenzen des Sagbaren wurden damals immer mehr verschoben, aus Worten wurden schließlich Taten. Heute erlebe ich, dass Menschen wieder in den Kommentaren Sozialer Medien roh beleidigt werden, dass Menschen mit besonderer Verantwortung z.B. Richterinnen, Bürgermeister oder Pressemitarbeiter, respektlos angegangen werden oder ihre Arbeit diffamiert wird.
Aber unser Miteinander lebt davon, dass wir einander vertrauen, zuhören und respektvoll miteinander umgehen. In der Bibel lese ich folgenden Satz: „Ehrt jedermann, habt die Brüder und Schwestern lieb, fürchtet Gott, ehrt den König!“ König oder König als Haupt unseres Volkes haben wir nicht mehr. Aber Menschen, die für uns große Verantwortung übernehmen, als Firmenchefin, Richterin, Politiker oder eben Journalist. Sie brauchen unseren Respekt und unser Vertrauen, damit sie gut arbeiten können. „Ehrt jedermann, habt die Brüder und Schwestern lieb, fürchtet Gott.“ – wie anders und konstruktiv können wir in unseren Familien, in den Talkshows, in den Räten und Kirchenvorständen diskutieren, wenn wir das beherzigen. Dann wird jeder Mensch in seiner Würde geachtet, gehört und von uns geschützt.
Ihre Dekanin Christiane Murner